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Interview mit dem Komponisten Dejan Pejovic zu seinem Film Gucha

David Serong:
Gucha ist Ihr erster Film als Komponist. Wie sind Sie Filmkomponist geworden und wie sind Sie an diesen Film gekommen?

Es war kein Zufall, dass ich diesen Film gekriegt habe. In den letzten 10 Jahren habe ich im Bereich der ethnischen Musik, besonders an Liedern mit starken Einflüssen der traditionellen Blasmusik des Balkans, gearbeitet. Den Regisseur Dušan Milic habe ich 2001 getroffen, als ich an der Musik für Emir Kusturicas Life is a miracle gearbeitet habe. Ich habe da die Arrangements für die Zigeuner-Hörner geschrieben. Er hat mich später angerufen und mich gefragt, ob ich mit ihm zusammen an seinem Projekt Gucha, was damals noch ein Dokumentarfilm werden sollte, mitarbeiten wolle. Ich zugesagt, weil dieses Projekt irgendwie „ein Film, wie für mich gemacht“ war.
Ich arbeite seit 1997 in den Bereichen Sound und Filmmusik. Ich habe an der FDU (Fachbereich für Darstellende Künste an der Hochschule der Künste in Belgrad) graduiert. Dort habe Sounddesign für Film und Fernsehen studiert. Heute bin ich Junior-Professor an derselben Akademie. Außerdem mache ich seit 2002 Musik und Sound für TV-Werbung, hauptsächlich für den serbischen Markt, aber manchmal auch für ausländische Werbeagenturen (besonders für den italienischen Markt). Das ist eine Möglichkeit, mit vielen Regisseuren zusammen zu arbeiten und interessante Projekte für die Zukunft zu finden.

Wie war Ihre musikalische Herangehensweise an den Film?

Es ist schwer, überhaupt eine Herangehensweise an so eine Art Film zu haben. Das ist ein Film mit viel Musik drin und generell mag ich eigentlich keine Filme, in denen das Publikum vor lauter Musik kaum zum Luft holen kommt. Der Regisseur hat mir das Drehbuch geschickt und ich habe angefangen die Hauptthemen zu schreiben. Das war sechs Monate vor Drehbeginn. In dieser Zeit hatte ich alle Hauptthemen fertig, das war aber gerade einmal ein Drittel der gesamten Arbeit als Komponist für diesen Film. Weil dieser Film so viele Szenen hat, wo die Hauptcharaktere mit ihren Trompeten improvisieren oder Szenen, wo die serbischen und die Zigeuner-Bands für das anstehende Gucha-Festival proben (da muss die Musik mit dem Bild synchron sein), war ich also „gezwungen“ mein Equipment (Computer und Keyboard) einzupacken, um vor Ort die Musik für diese Szenen zu machen. Der Regisseur sagte mir dann, was er für die spezielle Szene wollte und ich habe mich dann sofort an die Arbeit gemacht, um es bis zum Dreh fertig zu haben. Der letzte Teil meiner Arbeit als Komponist für den Film war dann die Scoremusik. Anfangs war es nicht geplant, dass der Film einen Score haben sollte, aber letztendlich hat mich der Regisseur doch gefragt, ob ich nicht einen schreiben könne.
Ich habe dann einige Stücke mit Klarinette und Akkordeon geschrieben, was eine gute Wahl war, um gleichzeitig den Hauptcharakteren und ihren Beziehungen emotionale Themen zu geben, sowie einen guten Gegensatz zur Blasmusik in den Songs herzustellen.


Romeo (Marko Markovic) kämpft um die Liebe von Julijana und die Goldene Trompete von Gucha…

Der Film spielt mit dem Thema zweier rivalisierender Musikstile, auf der einen Seite der serbische Stil, auf der anderen der der Zigeuner. Wie würden Sie den Unterschied zwischen den beiden Stilen charakterisieren?

Ich versuche das in paar Sätzen zu erklären. Der Zigeuner-Stil, die Trompete zu spielen, ist wie ihre Lebensart. Es gibt keine definitive Struktur in ihren Songs. Sie spielen jeden Tag einen anderen Stil.
Manchmal gut, manchmal schlecht, manchmal explosiv, manchmal träge… aber das ist es auch, was den Charme ihrer Durchführung ausmacht. Ihr Spiel hängt sehr von der Improvisation ab. Man weiß nie, was man von ihnen erwarten kann. Manchmal kriegt man sehr viel mehr von ihnen, als man erwartet hätte, manchmal kriegt man nichts.
Serbische Musiker sind da sehr anders. Man gibt ihnen eine exakte Melodie und die lernen sie dann auswendig. Sie haben eine organisierte Struktur in ihren Songs und so spielen sie die dann auch jedes einzelne Mal, genauso wie sie es beim ersten Mal gemacht haben, in der gleichen Qualität, dem gleichen Tempo, den gleichen Solos und so weiter. Deshalb sind sie besser geeignet für Studioaufnahmen, aber sie sind kaum in der Lage zu improvisieren.

Wenn wir hier in Deutschland von serbischem Kino hören, denken wir Emir Kusturica und was die Musik angeht an Goran Bregovic. Wie stark würden sie den Einfluss der beiden tatsächlich einschätzen?

Herr Bregovic hat durch die Filme von Herrn Kusturica der Musik aus Serbien und vom Balkan zu einem weltweiten Durchbruch verholfen. Besonders durch seine Musik für den Film Underground, der ja in Cannes 1995 die Goldene Palme gewonnen hat. Obwohl die Songs nicht von Bregovic original komponiert waren (er hat traditionelle Songs aus diesem Teil Europas verwendet), hat er sie arrangiert und fantastisch zusammen mit der visuellen Darstellung von Bregovics Orchester auf der Bühne verpackt. So eine Art musikalischer Durchbruch ist nicht möglich ohne ein so erfolgreichen Film und allem was sonst noch vor dem Hintergrund von Kusturicas Underground passiert ist.
Meiner Meinung nach haben die beiden große Arbeit für uns alle, die wir im Bereich der Balkan-Ethno-Musik arbeiten, leistet.


...bei beidem steht ihm Juijanas Vater Satchmo (Mladen Nelevic) im Weg.

Was würden Sie sagen, sind die besonderen Charakteristika serbischer Filmmusik? Und wer hätte Ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit im Westen verdient? Und was ist von der jugoslawischen Filmindustrie übrig geblieben?

Das ist eine gute Frage. Es gibt Jugoslawien nicht mehr und daher gibt es auch keine großen Produktionen und Ko-Produktionen mehr. Die jugoslawische Filmindustrie hat sich in die einzelnen kleinen nationalen Industrien aufgespaltet und mit diesen produzieren wir kleine Filme mit kleinen Budgets. (Es gibt natürlich ein oder zwei Ausnahmen.) Hier in Serbien kann man kaum noch von einer eigenständigen Filmindustrie sprechen. Auch kann sich hier kein neuer Komponist etablieren, weil jeder Film seinen eigenen „neuen Komponisten“ engagiert. (Die Entwicklungen in den Bereichen Computer und Audio haben das möglich gemacht, dass jeder auf seinem persönlichen Laptop mit vorgefertigten musikalischen Phrasen Musik machen kann.) Um ehrlich zu sein, gibt es hier auch immer weniger Filme für die man qualitativ hochwertige Musik braucht. Filmemacher machen TV-Filme, die später auf DVD veröffentlicht werden. Kino ist Vergangenheit! Also, ist da nichts, was heutzutage serbische Filmmusik charakterisiert.

Werden Sie weiterhin Filmmusik machen? Was sind ihre nächsten Projekte?

Ja, ich werde weitermachen. Ich habe kürzlich die Musik für eine Theateraufführung von Machiavellis Mandragola fertig gestellt. Ich werde (sowie ich mit den Filmemachern überein komme) in den nächsten sechs Monaten an zwei Filmen arbeiten. Eines ist ein Animationsfilm, der andere ist ein abendfüllender Spielfilm. Der zweite wird auch mit unserer ethnischen Musik zusammenhängen. Gleichzeitig (und auch schon in den letzten Jahren) arbeite ich an meiner Musik für eine CD-Veröffentlichung. Es ist so eine Art Mix-Musik, natürlich mit starken Einflüssen des Balkans. Für eines meiner „Demo“-Stücke (Ich habe unfertig rausgeschickt, nur um sehen, wie es wohl „laufen“ würde) habe ich in den USA zwei „Lobende Erwähnungen Auszeichnungen“ erhalten. (Das war 2003 bei der USA Songwriting Competition und des ISC – International Songwriting Competition). Ich werde euch eine Kopie schicken, sobald es fertig ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Gucha ab 23. August im Kino.
Buch und Regie: Dušan Milic
Produktion: Klaus Baumgartner, Thanassis Karathanos, Emir Kusturica und Goran Radakovic
Musik: Dejan Pejovic
Darsteller: Marko Markovic, Aleksandra Manasijevic, Mladen Nelevic

Offizielle Seite des Films

Alle Szenenfotos mit freundlicher Genehmigung von Kinowelt